BV Gemeinde ein Gremium (i.d.R. nur GV) - BV/HRA/164/2018
Grunddaten
- Betreff:
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Streitiges Vorkaufsrecht Dorfstraße,
Vorschlag von Rechtsanwalt Hülsmann
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- BV Gemeinde ein Gremium (i.d.R. nur GV)
- Federführend:
- HBA/SG Rechtsamt
- Bearbeiter:
- Wenke Hausrath
Beratungsfolge
| Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Gemeindevertretung Roggentin
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03.12.2018
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Sachverhalt
Sachverhalt/Problemstellung:
Die Gemeinde Roggentin befindet sich seit ca. 6 Jahren im Rechtsstreit mit Herrn Rachow um das gemeindliche Vorkaufsrecht an einer Teilfläche des Flurstücks 96/8 (früher 96/5) der Flur 1 der Gemarkung Roggentin (Dorfstraße im Kurvenbereich).
Seit ein paar Monaten ist auf Seiten Herrn Rachows ein anderer Anwalt –Herr Hülsmann- aktiv, der mit einer neuen Klage, die sich auf das Vorkaufsrecht bezieht, welches seiner Meinung nach nicht wirksam ausgeübt wurde, droht. Im Vorfeld einer Klage möchte er allerdings, da die Gemeinde, wie er schreibt, ein erhebliches Interesse an der Fläche habe, versuchen, einen außergerichtlichen Vergleich zu erreichen.
Das Amt hat sich bislang nicht mit seinen Argumenten zur Wirksamkeit des ausgeübten Vorkaufsrechtes auseinandergesetzt, da dies bereits mit seinem Vorgänger, Herrn Rechtsanwalt Paul, erfolgt war.
Der Vorschlag von Herrn Rechtsanwalt Hülsmann wird hiermit an die Gemeindevertretung weitergeleitet (sh. Anlagen 1 und 3 und nachfolgender Beschlussvorschlag 2).
Wichtiger ist allerdings das Folgende:
Amt und Gemeinde sind der Ansicht, dass das Vorkaufsrecht im Jahre 2013 wirksam geltend gemacht wurde.
Allerdings haben sich in den vergangenen 6 Jahren die Umstände derart verändert, dass aus rechtsstaatlicher Sicht nun empfohlen werden muss, nicht länger am geltend gemachten Vorkaufsrecht festzuhalten, sprich den rechtmäßigen Verwaltungsakt für die Zukunft gem. § 49 VwVfG aufzuheben.
Denn das gemeindliche Vorkaufsrecht ist ein Ausnahmetatbestand, mit dem in einen privaten Vertrag und damit in Individualrechte privater Dritter eingegriffen wird. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen von Gründen des Wohls der Allgemeinheit. Nur wenn Gründe vorliegen, nach denen das Wohl der Allgemeinheit höher einzuschätzen ist als die Individualinteressen, in die dafür eingegriffen wird, darf das Vorkaufsrecht ausgeübt werden.
Die im Jahre 2013 zur Begründung vom Bürgermeister vorgetragenen Gründe, dass Schul- und Linienbusse, Pkw und Fahrzeuge des Winterdienstes bei einer Sperrung der nahegelegenen Brücke keine andere Wendemöglichkeit als die in der Vergangenheit frei befahrbare Fläche des Flurstücks 96/8 haben, greifen im Jahre 2018 nicht mehr:
Ende des Sommers/Anfang des Herbsts 2018 ist die Brücke gesperrt worden und es wurde festgestellt, dass die Umstände, die zur Begründung des Vorkaufsrechts im Jahre 2013 geführt hatten und die das Wohl der Allgemeinheit widerspiegelten, nicht mehr vorhanden waren:
-ein Schulbus fährt auf dieser Strecke nicht mehr
-der Linienbus wurde vom Betreiber ohne Weiteres umgeleitet
-Pkws haben nun die Möglichkeit, die in den Jahren 2014/15 im Rahmen der Dorferneuerung als Ringstraße ausgebaute Dorfstraße zum Umkehren zu benutzen
Für die Fahrzeuge des Winterdienstes ist davon auszugehen, dass sie an der Ringstraße wenden können.
Das Wohl der Allgemeinheit zur Eigentumsübertragung für eine Wendeschleife erscheint nun nicht nur von geringerer Intensität als das Individualinteresse von Herrn Rachow an der Durchführung des ursprünglichen Kaufvertrages, sondern fordert eine Ausübung des Vorkaufsrechts gar nicht mehr. Damit verstößt ein Festhalten an dem Vorkaufsrecht gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG, die guten Sitten und Treu und Glauben.
Im Rahmen der frei gestaltenden Verwaltung ist die Gemeinde in der Lage, über die Ausübung des Vorkaufsrechts in Form eines Verzichts mittels Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts gem. § 49 VwVfG für die Zukunft erneut zu befinden.
Die aus diesem Streit in den Jahren 2014 und 2016 hervorgegangenen und noch immer anhängigen Klageverfahren bzgl. der Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis zum Setzen eines Bauzauns um die Vorkaufsfläche und bzgl. einer Ordnungsverfügung zum Beräumen des zuvor von Herrn Rachow abgeladenen Kieses auf der Vorkaufsfläche und der angrenzenden, gemeindlichen Dorfstraße setzen nicht ein Vorkaufsrecht der Gemeinde voraus, sondern die Entscheidung des Richters, ob es sich bei dem ehemaligen Bahnhofsvorplatz im Eigentum der DB 2014 bzw. 2016 um eine öffentliche Fläche, z.B. kraft unvordenklicher Verjährung, handelte oder nicht.
Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag 1:
Die Gemeindevertretung der Gemeinde Roggentin beschließt in ihrer Sitzung am 03.12.2018, aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit auf die weitere Aufrechterhaltung und Ausübung des Vorkaufsrechtes an der asphaltierten Teilfläche des Flurstücks 96/8 der Flur 1 der Gemarkung Roggentin in Form eines Widerrufs gem. § 49 VwVfG für die Zukunft zu verzichten, sofern eventuell vorhandene, gemeindliche, unterirdische Leitungen oder Abflüsse in diesem Bereich in ihrer weiteren Existenz gesichert sind oder zuvor vertraglich gesichert werden.
Die Ausführungen unter „Finanzielle Auswirkungen“ sind Bestandteil des Beschlusses.
Abstimmungsergebnis:
__ Ja - Stimmen__ Nein - Stimmen __ Stimmenthaltung(en)
(nur bei Ablehnung des Verzichts relevant)
Beschlussvorschlag 2:
Die Gemeindevertretung der Gemeinde Roggentin beschließt in ihrer Sitzung am 03.12.2018, den Vorschlag des Rechtsanwalts von Herrn Kai Rachow im Rahmen des umstrittenen Vorkaufsrechtes an der asphaltierten Teilfläche des Flurstücks 96/8 der Flur 1 der Gemarkung Roggentin anzunehmen, und eine Entschädigung in Höhe von 45,00 Euro pro qm an Herrn Rachow zu zahlen, damit dieser im Gegenzug ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Vorkaufsrecht der Gemeinde Roggentin als wirksam ausgeübt betrachtet.
Die Ausführungen unter „Finanzielle Auswirkungen“ sind Bestandteil des Beschlusses.
Abstimmungsergebnis:
__ Ja - Stimmen__ Nein - Stimmen __ Stimmenthaltung(en)
(nur bei Ablehnung des Verzichts relevant)
Beschlussvorschlag 3:
Die Gemeindevertretung der Gemeinde Roggentin beschließt in ihrer Sitzung am 03.12.2018, im Rahmen des umstrittenen Vorkaufsrechtes an der asphaltierten Teilfläche des Flurstücks 96/8 der Flur 1 der Gemarkung Roggentin, eine Entschädigung in Höhe von …… Euro pro qm an Herrn Rachow zu zahlen, damit dieser im Gegenzug ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das Vorkaufsrecht der Gemeinde Roggentin als wirksam ausgeübt betrachtet.
Die Ausführungen unter „Finanzielle Auswirkungen“ sind Bestandteil des Beschlusses.
Finanz. Auswirkung
Finanzielle Auswirkungen:
Bzgl. des Beschlussvorschlags 1 entstehen keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen.
Bzgl. der Beschlussvorschläge 2 und 3 ist eine Entschädigung in einer Höhe von bis zu 15.000,- Euro vom Produktkonto 12200.5625300 im Teilhaushalt 1 gedeckt.
Auswirkungen auf Liegenschaftsangelegenheiten:
Keine.
Anlagen
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1
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(wie Dokument)
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61,2 kB
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2
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(wie Dokument)
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136 kB
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3
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(wie Dokument)
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127,7 kB
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