Informationsvorlage - IV/HRA/223/2021
Grunddaten
- Betreff:
-
Umgang der Verwaltung des Amtes Carbäk mit Rechnungen zum Kauf alkoholischer Getränke mit öffentlichen Mitteln
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Informationsvorlage
- Federführend:
- HBA/SG Rechtsamt
- Bearbeiter:
- Wenke Hausrath
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Amtsausschuss
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Information
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02.12.2021
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Sachverhalt
Entscheidung:
Herr Fahning hat in seiner Funktion als kommissarischer LVB und im Einvernehmen mit der Amtsvorsteherin Frau Elgeti beschlossen, dass ab sofort Rechnungen, die den Kauf alkoholischer Getränke für die Gemeinden des Amtes betreffen, von der Verwaltung nicht mehr per se zurückgewiesen werden.
Sachverhalt/Problemstellung:
Der seit 2019 bis dato vorliegenden Praxis im Amt lag folgender Werdegang zugrunde:
Im Jahre 2019 führte das Gemeindeprüfungsamt im Amt Carbäk eine überörtliche Prüfung durch. Dabei wurde der Kauf von alkoholischen Getränken mit öffentlichen Mitteln beanstandet und das Amt angehalten, jegliche derartige Rechnung abzulehnen und folglich nicht zur Zahlung zu bringen. Im Endeffekt trug damit derjenige, der alkoholische Getränke als Präsent der Gemeinde oder für Veranstaltungen der Gemeinde kaufte, die Kosten statt der Gemeinde.
Dieser Zustand war für die Bürgermeister des Amtes nicht nachvollziehbar und sorgte für durchaus gewichtigen Unmut zwischen den Bürgermeistern und der Verwaltung des Amtes, die sich ihrerseits durch das Gemeindeprüfungsamt zur Ablehnung gezwungen sah.
Das Gemeindeprüfungsamt blieb auch nach diversen Nachfragen, zuletzt vor zwei Monaten, bei dieser Handlungsvorgabe. Allerdings wurde vorgeschlagen, dass die Bürgermeister einen Text unterschreiben können sollten, wonach sie wissen, dass Ausgaben für alkoholische Getränke mittels Steuergeldern vom Gemeindeprüfungsamt beanstandet werden und die entsprechende Verantwortung nicht beim Amt, sondern bei ihnen persönlich liegt.
Das ist bereits von der Art und Weise her nicht zufriedenstellend. Zudem liegt diese Angelegenheit per se in der Verantwortlichkeit der Bürgermeister.
Das ursächliche Problem ist damit für die Bürgermeister keineswegs gelöst:
Hat das Gemeindeprüfungsamt das Recht, derartige Rechnungen grundsätzlich zu beanstanden?
Nach nunmehr erfolgter, rechtlicher Prüfung ist die grundsätzliche Beanstandung eines jeden Kaufes alkoholischer Getränke für die Gemeinde zu gemeindlichen Zwecken durch das Gemeindeprüfungsamt rechtswidrig, da sie einer tauglichen Rechtsgrundlage für diesen Eingriff in das Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden entbehrt und folglich aus Sicht des Amtes mit dem geltenden Recht nicht vereinbar ist.
Rechtliche Würdigung:
Gem. Art. 28 Abs. 2 Sätze 1, 3 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, wobei die Gewährleistung der Selbstverwaltung auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasst.
Die Umsetzung findet sich auf Landesebene in Art. 72 Abs. 1 der Landesverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LV M-V), wonach die Gemeinden berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet sind, in ihrem Gebiet alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.
„Im Rahmen der Gesetze“ bedeutet, dass dieses Recht durch andere Gesetze beschränkt werden kann. Eine explizite Rechtsgrundlage zum Verbot der gemeindlichen Finanzierung von alkoholischen Getränken für gemeindliche Zwecke existiert allerdings nicht und wurde so auch vom Gemeindeprüfungsamt nicht angeführt. Vielmehr stützt dieses seine Auffassung auf § 43 Abs. 4 KV M-V und ergänzend auf § 19 Abs. 1 GemHVO-Doppik.
In § 43 KV M-V ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Gemeinde verankert. Das Gemeindeprüfungsamt argumentiert anhand dessen, dass die Inanspruchnahme von Repräsentationsmitteln auf ein Mindestmaß zu begrenzen sei und die Gepflogenheiten in Bereichen außerhalb des öffentlichen Dienstes kein Maßstab seien, da es sich bei den Gemeinden um einen aus Steuergeldern finanzierten Bereich handele. Zudem solle die Würdigung des Ehrenamtes nicht nach der Bereitstellung von alkoholischen Getränken beurteilt werden.
Gem. § 19 Abs. 1 GemHVO-Doppik dürfen die im Haushaltsplan enthaltenen Ansätze für Aufwendungen erst dann in Anspruch genommen werden, wenn die Aufgabenerfüllung dies erfordert. Die Aufwendungen seien also an die Aufgabenerfüllung der Kommune gekoppelt und es sei mehr als fraglich, inwieweit alkoholische Getränke zwingend zur Durchführung z.B. einer Jahreshauptversammlung notwendig seien.
Die Begriffe Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bedeuten, eine Aufgabe mit dem geringsten Mitteleinsatz zu erledigen bzw. mit gegebenen Mitteln einen größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Gemeinde einen Beurteilungsspielraum einräumen. Ziel soll dabei sein, den Steuerzahler so gering wie möglich zu belasten, andererseits aber die der Gemeinde obliegenden Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit so gut wie möglich zu erfüllen. Der Bürgermeister muss diesen Grundsatz beachten. Die Rechtsaufsichtsbehörde überprüft die Einhaltung des Beurteilungsspielraums und hat, allerdings auf rechtliche Erwägungen beschränkt, Verstöße gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens zu rügen, was zu haftungsrechtlichen Konsequenzen für den Bürgermeister führen kann.
Es ist nicht ersichtlich, dass bei den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwischen alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken zur Aufgabenerfüllung unterschieden wird. Das ergibt sich aus dem Wortlaut nämlich keineswegs. Auch dem Sinn und Zweck der Begriffe samt der Stellung des § 43 im Gesamtgefüge der KV ist diese Unterscheidung nicht zu entnehmen.
Dem Gemeindeprüfungsamt geht es augenscheinlich auch nicht darum, ob die alkoholischen Getränke im Sinne der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu teuer oder ausreichend billig sind oder teurer oder billiger als nichtalkoholische Getränke. Allein die Tatsache, dass ein im Auftrag der Gemeinde gekauftes Getränk alkoholischer Natur ist, soll Voraussetzung für die dann jedenfalls zu erfolgende Beanstandung sein, und zwar in jedem Fall, ohne Differenzierung.
Das hat nicht erkennbar mit Sparsamkeit oder Wirtschaftlichkeit zu tun, sondern allein mit Bedenken im außerrechtlichen und außerfinanziellen Bereich, die von § 43 Abs. 4 KV M-V nicht getragen werden. Dass „die Würdigung des Ehrenamtes nicht nach der Bereitstellung von alkoholischen Getränken beurteilt werden soll“ und das Aufwerfen der Frage, „inwieweit alkoholische Getränke zwingend zur Durchführung z.B. einer Jahreshauptversammlung notwendig sind“, sind Wertungen, die ein bestimmtes Ziel, nämlich im Endeffekt die Verbannung von Alkohol aus dem Gemeindeleben, erreichen sollen. Dabei werden Getränke wie z.B. Cola, Limonade oder Softdrinks dagegen nicht per se beanstandet, obwohl auch sie bedenklich für die Gesundheit sein können, aber eben alkoholfrei sind.
Für den Bürgermeister ist jede derartige Entscheidung eine Einzelfallentscheidung, aufgrund der er die Kasse des Amtes Carbäk zur Zahlung anweist, je nach Anlass, ggf. bekannten Neigungen und Wünschen eines zu Beschenkenden, der Art einer Feierlichkeit oder Veranstaltung oder mittels anderer Differenzierungen. Demgegenüber kommt es durch das praktische Verbot bzw. der drohenden Beanstandung jeglichen Kaufs alkoholischer Getränke gar nicht erst zu einer in der Rechtsfolge des § 43 benannten Überprüfung des Beurteilungsspielraums und folglich nicht zu einer Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Es findet keine Unterscheidung nach z.B. Anlass oder Menge innerhalb der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit statt. Damit liegt ein zur Rechtswidrigkeit führender Ermessensnichtgebrauch vor.
Da dies selbstverständlich nur eine rechtliche Meinung ist, wird zur Sicherheit für die Bürgermeister, bei denen die letztendliche Verantwortlichkeit liegt, die untere Rechtsaufsichtsbehörde, der das Gemeindeprüfungsamt angehört, um schriftliche Stellungnahme zu dieser Thematik gebeten werden.
